Ein Neues Jahr hat begonnen, doch die gesamte Energie scheint schon verbrannt und alles fühlt sich an, wie in einem Krisenmodus? Der Ausdruck „unter Strom stehen“ wird oft verwendet, um den Zustand intensiven psychischen und physischen Stresses zu beschreiben. Die Metapher spiegelt wider, wie sich der Körper und Geist anfühlen können, wenn sie überlastet sind: angespannt, überfordert und unruhig. In einer zunehmend hektischen Welt, in der Anforderungen von Arbeit, sozialen Beziehungen und persönlichen Erwartungen permanent an uns zerren, ist psychischer Stress eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Doch was passiert in unserem Körper, wenn wir unter Stress stehen, und wie können Atemtechniken dabei helfen, diesen Druck zu lindern und zur Ruhe zu kommen?

Welche Rolle spielt die Atmung?

„Unter Strom sein“ bezeichnet einen Zustand, in dem der Körper angespannt ist, weil z.B. die täglichen Anforderungen die verfügbaren Ressourcen übersteigen. In solchen Situationen wird das sympathische Nervensystem aktiviert, was in unserem Organismus dafür verantwortlich ist, „Kampf-oder-Flucht“ Reaktionen auszulösen. Dieser evolutionsbiologische Mechanismus sorgt dafür, dass der Körper sich blitzschnell auf potenzielle Gefahren einstellen kann: Die Atmung wird flach und schnell (Stressatmung), um mehr Sauerstoff bereitzustellen, die Muskeln werden angespannt, und der Geist wird wachsamer. Diese Anpassungen dienen dazu, auf eine akute Bedrohung unmittelbar reagieren zu können.

Ein Beispiel aus der Tierwelt verdeutlicht diesen Mechanismus: Eine Katze, die von einem Hund überrascht wird, beschleunigt ihre Atmung, spannt ihre Muskeln an und ist bereit, entweder zu kämpfen oder zu fliehen. Sobald die Gefahr vorüber ist, beruhigt sich ihre Atmung wieder, und der Parasympathikus, der für Entspannung und Erholung zuständig ist, wird aktiviert, um den Körper in den Ruhezustand zu versetzen. So kann die Katze sich regenerieren und neue Kräfte sammeln.

Auch beim Menschen sind diese Reaktionen tief verwurzelt. Doch anders als Tiere können wir unsere Atmung bewusst kontrollieren. Durch langsames und tiefes Atmen aktivieren wir den Parasympathikus, der die „Kampf-oder-Flucht“-Reaktion abschwächt und den Körper beruhigt. Diese bewusste Kontrolle über den Atem bietet uns einen entscheidenden Vorteil, da wir nicht nur auf akute Bedrohungen reagieren müssen, sondern auch mit langfristigem, chronischem Stress umgehen müssen. Denn in der heutigen Zeit sind Stressauslöser meist weniger lebensbedrohlich, sondern eher psychologisch oder sozial: Deadlines, innere und äußere (soziale) Konflikte, finanzielle Sorgen oder der Druck, ständig zu funktionieren. Solche chronischen Stressoren aktivieren die Stressreaktion immer wieder, ohne dem Körper die nötige Erholung zu geben.

Langfristige Folgen der Stressatmung

Wenn der Körper über längere Zeit hinweg in einem Zustand der erhöhten Alarmbereitschaft verbleibt, ohne die Gelegenheit zur Ruhe zu bekommen, können die Auswirkungen auf die Gesundheit gravierend sein. Die oft unregelmäßige, schnelle und flache Atmung kann zu einer ständigen Überlastung des Körpers führen, was wiederum eine Vielzahl (chronisch) gesundheitlicher Probleme auslösen kann. Darunter zählen Erschöpfung, Schlafstörungen, Angstzustände, Konzentrationsschwierigkeiten, Kopfschmerzen und sogar Bluthochdruck.

Atemtechniken zur Stressbewältigung

Es gibt eine Vielzahl von Atemtechniken, die dabei helfen können, den Stresspegel zu senken und den Körper in einen Zustand der Entspannung zu versetzen. Einige der bekanntesten und am effektivsten eingesetzten Atemübungen sind:

  1. Bauchatmung (Zwerchfellatmung) Die Bauchatmung ist eine der einfachsten und effektivsten Atemtechniken zur Stressreduktion. Bei der Bauchatmung atmet man bewusst tief in den unteren Bauchbereich, sodass sich der Bauch bei der Einatmung hebt und bei der Ausatmung senkt. Diese Technik fördert die Aktivierung des parasympathischen Nervensystems und kann helfen, die Muskeln zu entspannen und den Geist zu beruhigen:
    • Setzen Sie sich bequem hin oder legen Sie sich hin.
    • Legen Sie eine Hand auf Ihren Bauch und eine auf Ihre Brust.
    • Atmen Sie langsam und tief durch die Nase ein, sodass sich Ihr Bauch hebt, und atmen Sie dann langsam durch den Mund aus, sodass sich Ihr Bauch wieder senkt.
    • Wiederholen Sie diese Übung für mehrere Minuten.
  2. 4-7-8 Atmung Diese Technik wurde von Dr. Andrew Weil entwickelt und ist besonders effektiv zur Beruhigung des Nervensystems. Sie konzentriert sich auf das bewusste Steuern des Atemrhythmus und fördert so eine schnelle Entspannung:
    • Atmen Sie durch die Nase ein und zählen Sie dabei bis 4.
    • Halten Sie den Atem für eine Zählzeit von 7.
    • Atmen Sie dann langsam durch den Mund aus und zählen Sie dabei bis 8.
    • Wiederholen Sie diese Übung 4 bis 6 Mal.
  3. Wechselatmung (Nadi Shodhana) Diese Technik stammt aus dem Yoga und hilft, das Gleichgewicht zwischen den beiden Gehirnhälften zu fördern und die innere Ruhe zu steigern. Sie kann den Geist beruhigen und die Konzentration verbessern:
    • Setzen Sie sich in eine bequeme Position.
    • Schließen Sie mit dem Daumen das rechte Nasenloch und atmen Sie tief durch das linke Nasenloch ein.
    • Schließen Sie das linke Nasenloch mit dem Ringfinger und atmen Sie durch das rechte Nasenloch aus.
    • Atmen Sie nun durch das rechte Nasenloch ein und schließen es mit dem Daumen, während Sie durch das linke Nasenloch ausatmen.
    • Wiederholen Sie den Zyklus für einige Minuten.

Praktische Tipps zur Integration von Atemtechniken

  • Regelmäßig üben: Atemtechniken wirken am besten, wenn sie regelmäßig praktiziert werden. Genau wie ein Muskelaufbau- oder Konditionstrainging. Schon 5 bis 10 Minuten täglich können einen Unterschied machen.
  • Ruhiger Ort: Für die Übungen sollte ein ruhiger Ort gewählt werden, um Ablenkungen zu vermeiden.
  • Kombination mit Bewegung: Atemtechniken lassen sich gut mit Yoga, Tai Chi oder achtsamen Spaziergängen verbinden.
  • Achtsamkeit in den Alltag integrieren: Durch bewusstes Atmen während alltäglicher Aufgaben wie Kochen oder Spazierengehen kann man Achtsamkeit üben und Stress reduzieren. Auch am Arbeitsplatz können diese leicht integriert werden.

Fazit: Langfristige Vorteile bewusster Atmung

Die bewusste Nutzung der Atmung ist ein kraftvolles Werkzeug, um Stress zu lindern und den Körper in einen Zustand der Entspannung zu versetzen. Techniken wie die Bauchatmung oder die 4-7-8 Methode wirken wie ein „Reset-Knopf“, um den Körper aus der ständigen Alarmbereitschaft zu befreien und in einen Zustand der Entspannung zu bringen.

Langfristig fördert Atemtraining nicht nur die Stressresilienz, sondern verbessert auch den Schlaf, stärkt das Immunsystem und senkt den Blutdruck. Indem wir unsere Atmung bewusst steuern, können wir dem Gefühl, „unter Strom zu stehen“, aktiv entgegenwirken und mehr Ruhe in unser Leben bringen.